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sábado, junio 09, 2007

Spanische Krankheit

Der Euro spaltet Westeuropa. Während BRD und Niederlande boomen, fehlt Staaten mit hohem Leistungsbilanzdefizit das Korrektiv der Währungsabwertung

Von Jürgen Bogs
Jungewelt, 06/06/2007

Frankreichs Staatspräsident ist kaum im Amt, da schlagen die Medien Alarm: Nicolas Sarkozy gefährde die Stabilität des Euroraumes, heißt es. Die nachfrageorientierte Wirtschafts- und Finanzpolitik des neuen Mannes im Elyseepalast sei nicht zeitgemäß, seine Steuersenkungspläne erhöhten die ohnehin immense Staasverschuldung, die derzeit bei fast 65 Prozent des jährlichen Bruttoinlandsproduktes liege. Dadurch scheinen »Etatkonflikte zwischen Frankreich und der EU-Kommission« programmiert, befürchtet beispielsweise das Handelsblatt.

Zweifellos provoziert Sarkozys Politikansatz. Ob Frankreich damit die westeuropäische Einheitswährung gefährdet, ist allerdings fraglich. Deren Sollbruchstelle scheint anderswo zu liegen. Während manche Volkswirtschaften mit dem Euro hervorragend zurechtkommen, beschert er anderen erhebliche Probleme. Zum Beispiel Spanien: Die Reserven der spanischen Zentralbank (Banco de España) in ausländischen Währungen und Gold sind auf einen Tiefstand von aktuell 17 Milliarden US-Dollar gefallen. Ähnliche Entwicklungen sind in Portugal und Griechenland zu verzeichnen.

In den zurückliegenden zwei Monaten hat die spanische Zentralbank 80 Tonnen ihrer Goldreserven verkauft um die negative Leistungsbilanz Spaniens auszugleichen. Das Defizit (negativer Gesamtsaldo aus Handels-, Dienstleistungs- und der Übertragungsbilanz) lag 2006 bei 98,6 Milliarden Euro. Es resultierte hauptsächlich aus der immer schlechter werdenden Handelsbilanz: 222 Milliarden US-Dollar Exporterlösen standen Importaufwendungen von 324 Milliarden gegenüber. Spanien verzeichnet zwar rechnerisch ein Wirtschaftswachstum von 3,3 Prozent (1. Quartal 2007). Das wird vom aufgeblähten Immobilienmarkt und einem boomenden Tourismus getragen. Dagegen stehen eine schwache Industrieproduktion, 500 Milliarden Euro private Schulden und Auslandsverbindlichkeiten von 1,6 Billionen US-Dollar. Kurzum, Spanien müßte abwerten, kann das wegen des Euros allerdings nicht.

In der gesamten Eurozone werden die Ungleichgewichte in den Leistungsbilanzen und der Wettbewerbsfähigkeit immer größer. Auf der einen Seite stehen Staaten wie die BRD und die Niederlande. Deutschland ist »Exportweltmeister«, führte 2006 Waren im Wert von 1,13 Billionen US-Dollar aus und erzielte einen Leistungsbilanzüberschuß von 135 Milliarden Dollar. Die Niederlande stehen mit 50 Milliarden US-Dollar im Plus. Auf der anderen Seite Spanien (Leistungsbilanzdefizit 98 Milliarden Dollar), Frankreich (38 Milliarden), Italien (23 Milliarden), Griechenland (21 Milliarden), sowie Portugal mit 17 Milliarden Dollar »Miesen«.

In Spanien, Griechenland und Portugal macht das Leistungsbilanzdefizit fast zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP), also der errechneten Wirtschaftsleistung aus. Dies sind Dimensionen, die theoretisch in Richtung Staatsbankrott, praktisch in Richtung rigide »Sparpolitik« inklusive Teilenteignung der Normalbürger in diesen Ländern führt.

Ein weiteres Problem ist die Geldmenge. Während in der BRD die kreditfinanzierte Liquidität zuletzt lediglich um 2,5 Prozent stieg, waren es in Spanien 26,3, in Irland 24.81, in Frankreich 12,18 und in Italien immerhin noch 9,93 Prozent. Bezeichnend dabei, daß die Länder mit großer Kreditausdehnung diejenigen mit boomenden Immobilienmärkten sind – Blasenbildung inklusive.

Die Geldmenge M3, (u.a. Bargeld, Einlagen auf Girokonten, kurzfristige Geldmarktpapiere sowie Schuldverschreibungen von bis zu zwei Jahren Laufzeit), wuchs in der Eurozone auf annähernd elf Prozent – die größte Ausweitung seit 24 Jahren. Diese überdimensionierte Geldversorgung des europäischen Kapitals führt u.a. zu beträchtlichem Inflationsdruck. Normalerweise müßten die Leitzinsen von der EZB, derzeit bei vier Prozent, zügig angehoben werden. Doch das würde den Immobilienmärkten und der gesamten Konjunktur einen Schlag versetzen.

Spanien sitzt in der Immobilienfalle. Fehlende nationale Zinspolitik ließ dank niedriger EZB-Leitzinsen bei Einführung des Euro den spanischen Immobilienmarkt boomen. Zwei von drei Spaniern haben seitdem Immobilien gekauft, Urlauberquartiere für Briten und Deutsche inklusive. Nun hat die EZB bereits achtmal die Zinsen erhöht. Die größtenteils mit variablen Zinsen versehenen Hypotheken steigen mit und erhöhen die Last der Verbraucher. So stiegen die spanische Häuserpreise seit 1995 um 270 Prozent, die Schulden der privaten Haushalte wuchsen von 75 Prozent des jährlichen Nettoeinkommens auf 133 Prozent. Nach Berechnungen von Morgan Stanley war der Immobilienboom für 17 Prozent des BIP-Wachstums in der Vergangenheit verantwortlich. »Spanien steht vor einen Zyklus der Rezession, der Deflation und des Rückgangs des privaten Konsums«, glaubt Bernard Connolly von der AIG-Bank. Griechenland und Portugal sind mehr oder weniger eine Kopie dieser Entwicklung. Die »spanische Krankheit« ist dennoch keine spezifisch nationale. Sie hat mit »Konkurrenz und Anarchie« der (Re)Produktion, also mit dem Kapitalismus, seinen Gesetzmäßigkeiten und dessen einzigem Ziel, der Profitmaximierung, zu tun. Und weil dies so ist, stehen nicht nur dem Euro wegen der sich vertiefenden Unterschiede zwischen den einzelnen Volkswirtschaften harte Zeiten bevor.

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